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LONDON – Der rasant fortschreitende Klimawandel wirkt sich weltweit in Rekordhöhe auf die menschliche Gesundheit aus, so der achte Jahresbericht des Lancet Countdown: Tracking progress on Health and Climate Change (The Lancet 2024, DOI: 10.1016/S0140-6736(24)01822). -) 1). Daher haben 10 von 15 Indikatoren zur Messung von Gesundheitsrisiken alarmierende Höchstwerte erreicht.
Das internationale Autorenteam, bestehend aus mehr als 120 Experten, prognostiziert, dass Menschen auf der ganzen Welt im Jahr 2023 durchschnittlich 50 Tage mehr gesundheitsgefährdende extreme Hitze erleben werden, als ohne steigende Temperaturen zu erwarten wäre lang.
Die hitzebedingte Sterblichkeitsrate, insbesondere bei Menschen über 65 Jahren, sei im Vergleich zu den 1990er Jahren um 167 % gestiegen, heißt es in dem Bericht. Das sind 102 Prozentpunkte mehr, als ohne den Temperaturanstieg zu erwarten gewesen wäre.
Erhöhte Hitze beeinträchtigt auch die Schlafqualität. Dem Bericht zufolge gab es im Jahr 2023 im Vergleich zu 1986 bis 2005 einen durchschnittlichen Anstieg der verlorenen Schlafstunden um 6 %. Mögliche Auswirkungen sind kurzfristige Konzentrations- und Gedächtnisprobleme. Chronischer Schlafmangel kann das Risiko für Diabetes, Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Extreme Wetterereignisse nehmen zu
Menschen auf der ganzen Welt erleben weiterhin lebensbedrohliche extreme Wetterereignisse. 48 % der Landfläche der Welt waren mindestens einen Monat lang von einer ungewöhnlichen Dürre betroffen. Das ist der zweithöchste Wert in der Geschichte.
Dem Bericht zufolge werden im Jahr 2022 in den 124 untersuchten Ländern weitere 151 Millionen Menschen von mäßiger bis schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen sein, da im Vergleich zu 1981 und 2010 häufiger Hitzewellen und Dürren auftreten. Dies soll ein Rekordwert erreicht haben hoch.
Extreme Regenfälle und eine Zunahme von Hurrikanen hätten zudem zu Überschwemmungen, Infektionskrankheiten und Wasserverschmutzung geführt, schreiben die Forscher im Lancet Countdown-Bericht.
Eine weitere durch den Klimawandel begünstigte Gefahr ist die Übertragung potenziell tödlicher Infektionskrankheiten wie Dengue-Fieber, Malaria, West-Nil-Fieber und Vibrio-Infektionen. Steigende Temperaturen in gemäßigten Breiten gefährden die Ansteckung von Menschen in bisher nicht betroffenen Gebieten.
„Die Einführung von Frühwarnsystemen für extreme Wetterereignisse und die Förderung grüner Infrastruktur in städtischen Gebieten sind besonders wichtig, um die Gesundheitsrisiken durch hohe Temperaturen zu minimieren“, sagte Annette Peters, Direktorin des Helmholtz-Instituts für Epidemiologie München.
Dabei wird es nicht nur darum gehen, auf Notfälle zu reagieren, sondern auch darum, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Bevölkerung vor den absehbaren Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. „Jüngste Forschungsergebnisse zu Hitze und Gesundheit zeigen, dass weitere politische Maßnahmen unerlässlich sind.“
Hitze trifft besonders gefährdete Menschen und ihre Auswirkungen variieren je nach sozialem Kontext, betont Franziska Matthies Wiesler, die ebenfalls am Institut für Epidemiologie am Helmholtz München arbeitet. „Um diese Ungleichheiten zu verringern, sind gezielte Maßnahmen erforderlich, die sowohl spezifische Belastungen als auch individuelle Lebensbedingungen berücksichtigen. Dadurch werden hitzebedingte Todesfälle und Krankheiten verringert und die Belastung verringert.“
Der Aufwand reicht immer noch nicht aus
Das Lancet Countdown-Team unter der Leitung von Marina Romanello vom Institute for Global Health am University College London veröffentlichte den Bericht im Vorfeld der 29. Weltklimakonferenz (COP29), die im November in Baku, Aserbaidschan, stattfinden wird. Die Ergebnisse zahlreicher Studien und Klimadaten wurden zusammengestellt.
„Der diesjährige Bericht deckt nicht nur die Unzulänglichkeiten der bisherigen Anpassungsbemühungen auf, sondern zeigt auch, dass sich die Welt von ihrem Ziel entfernt, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“, schrieb die Gruppe. „Kein Mensch und keine Volkswirtschaft auf der Erde ist vor den Gesundheitsgefahren des Klimawandels gefeit“, warnte Romanello.
Forscher haben berechnet, dass im Jahr 2023 512 Milliarden Arbeitsstunden durch übermäßige Hitze verloren gehen, was für viele Arbeitnehmer auch einen Einkommensverlust bedeuten wird. Besonders betroffen davon waren Menschen in ärmeren Ländern. Dort machte die Zeit, in der nicht gearbeitet wurde, 7,6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, verglichen mit nur 0,5 % in den reichen Ländern.
Dem Bericht zufolge stiegen die durchschnittlichen jährlichen wirtschaftlichen Verluste durch extreme wetterbedingte Ereignisse von 2014 bis 2023 um fast ein Viertel (23 %) auf 227 Milliarden US-Dollar.
Auch in Deutschland nehmen die Probleme zu.
Der Bericht enthält auch Daten zur Lage in Deutschland. Bei leichter körperlicher Aktivität im Freien ist die Anzahl der Jahresstunden, in denen bei Umgebungstemperaturen ein mittleres oder höheres Risiko für Hitzestress besteht, im Zeitraum 2014 bis 2023 fast doppelt so hoch wie im Zeitraum 1990 bis 1999.
Im vergangenen Jahrzehnt seien Menschen durchschnittlich acht Tage im Jahr extremer Hitze ausgesetzt gewesen, wobei Ostdeutschland tendenziell stärker betroffen sei, so das Magazin weiter. Außerdem wird hervorgehoben, dass bestimmte Ernährungsweisen und die Nutzung fossiler Brennstoffe nicht nur zu Krankheit und Tod, sondern auch zu Treibhausgasemissionen beitragen.
Die Autoren des Berichts kritisieren die anhaltenden Investitionen in fossile Brennstoffe, den anhaltend hohen Ausstoß von Treibhausgasen und die langsame Anpassung an den Klimawandel, die die Risiken für Menschen auf der ganzen Welt weiter erhöhen.
Regierungen und Unternehmen geben weiterhin Billionen Dollar für Subventionen und Investitionen in fossile Brennstoffe aus, die den Klimawandel verschärfen. Diese Mittel sollten in erneuerbare Energien und Aktivitäten fließen, die der Gesundheit, dem Lebensunterhalt und dem Wohlbefinden der Menschen zugute kommen.
Derzeit sind die Möglichkeiten des Klimaschutzes aufgrund mangelnder Finanzierung oft stark eingeschränkt, da auch im Jahr 2023 immer noch fast 37 % der weltweiten Energieinvestitionen in fossile Brennstoffe fließen. In vielen Ländern überstiegen die Subventionen die nationalen Gesundheitsausgaben bei weitem.
„Öl- und Gasunternehmen, unterstützt von vielen Regierungen und dem globalen Finanzsystem, erhöhen weiterhin die Abhängigkeit der Welt von fossilen Brennstoffen“, sagte Co-Autorin Stella Hartinger von der Universität Peruna Cayetano Heredia. Die Gesundheit und das Überleben von Millionen Menschen werden gefährdet sein.
Joasim Rocklov, Epidemiologe an der Universität Heidelberg und Mitautor des Lancet Countdown Report 2024, warnte, dass die neuen Rekordwerte für 10 der 15 Indikatoren eine dringende Warnung seien. Dies macht deutlich, dass globale und politische Bemühungen zur Bewältigung dieses Indikators schwierig sind. Wir müssen den Klimawandel noch größer machen.
„Die derzeitigen Verzögerungen bei der Einführung fossiler Brennstoffe und die anhaltenden Investitionen wirken sich bereits negativ auf die öffentliche Gesundheit aus, und dies wird sich nur verschlimmern.“ © dpa/aks/aerzteblatt.de